Nicht Scham, Begeisterung brauchen wir!

Flug-Scham, SUV-Scham, Kinder-Scham – ist es gut, wenn wir uns schämen? Welche Energie brauchen wir Menschen, um die Welt zum Positiven zu bewegen? Scham und Schuldgefühle? Nein. Gute Dinge erreichen wir viel besser mit Begeisterung!

Vielleicht kann Scham ein Anfang sein. Eine Anregung zum Nachdenken. Mache ich doch ein klein wenig unsere Welt kaputt, mit meinem großen SUV? Werden die klimabewegten Jugendlichen mit dem Finger auf mich zeigen, für diese Flugreise? Ist es eigentlich in Ordnung, dass das Schwein, das ich gerade esse, wahrscheinlich ein elendes Leben hatte? Und seine „Produktion“ Antibiotikaresistenzen erzeugt hat?

Aber wenn es dabei bleibt, folgen nur Rückzug, Abstreiten, Verneinen und Ignoranz. Viel besser wird die Perspektive, wenn im Moment der Nachdenklichkeit neue Möglichkeiten sichtbar werden.

Da wird die Frage: „Sollen wir überhaupt noch fliegen?“ zur Herausforderung: „Wie gestalten wir am schönsten eine spannende Reise zum gewählten Ziel mit Zug und Schiff“? Oder gibt es vielleicht ein neues, spannendes Ziel, das noch viel eleganter zu erreichen ist?

Und beim Autokauf bemerken wir: „Wow, mit Carsharing kann ich jeden Tag zwischen ganz verschiedenen spannenden Autos auswählen!“ Und jede Menge Geld ist auch noch übrig, wenn der Neuwagen beim Autohändler bleibt.

Und wie schmeckt eigentlich Bio-Fleisch, oder Saitan, oder 100 verschiedene spannende Aufstriche? Und wo gibt’s das im Sonderangebot (manches davon ist sogar billiger, als unsere tägliche Wurstscheibe)?

Auch in größeren Dimensionen ist die Perspektive voraus, auf neue Möglichkeiten, hilfreich: wie erreichen wir, dass die Welt unsere Klimatechnologie kaufen will, unsere Klima-Berater teuer bezahlt? Schaffen wir es, Energie regenerativ am Ende viel günstiger und sorgenfreier herzustellen, als unsere Nachbarn mit Atom und Kohle?

Natürlich ist im Großen die Kraft von Innovation (leider) begrenzt. Und auch sinnvoll so, um nicht über revolutionäre Kraft gleich wieder in Diktatur zu landen. Umso mehr Anreiz also, persönlich, wo wir alleine die Macht über revolutionäre Entscheidungen haben, die „Weichen auf Zukunft“ zu stellen. Und mit Lust, Kraft, Energie und Kreativität neue gute Wege und Ziele zu erschließen. Für Umweltschutz, für Klimaschutz, für Menschenschutz!

Politiker – Sind die denn blöd?

Das fragen sich seit jeher viele Bürger, die mehr oder weniger Politik und Politiker beobachten. Und diese Frage ist sicherlich verständlich. Tatsächlich geht es in der Politik unserer Demokratie ständig auf und ab, vor und zurück. Argumente und Handlungen sind häufig recht dümmlich, populistisch, nur auf Wählerfang ausgerichtet, eine sinnvolle Richtung ist nicht zu erkennen.

Das müsste doch besser gehen! Fast jeder von uns findet Ansatzpunkte, an denen er oder sie überzeugt ist, zu wissen, wie eine Entscheidung vernünftiger aussähe. Und wahrscheinlich ist das im Einzelfall auch so.

Auch Hoffnungen auf den „starken Mann“ beruhen wohl auf diesen Beobachtungen. Wo die vielen unperfekte Trippelschritte machen, könnte der eine (oder die eine?) entschlossen in die „richtige“ Richtung gehen!

Leider gibt es da aber dieses Problem, dass es niemanden geben kann, der entscheiden kann, welche Entscheidungen in ihrer Gesamtheit die Richtigen sind. Wie es auch, etwas indirekter, niemanden geben kann, der entscheiden kann, welcher Diktator (das hässliche Wort für den starken Entscheider) denn nun der richtige wäre. Mit den richtigen, „guten“ Entscheidungen. Einer, der nicht versehentlich oder absichtlich irgendwann einmal katsatrophale Fehlentscheidungen trifft. Ob aus Freude an der Macht, oder einfach nur, weil niemand von uns unvehlbar ist.

Schade, dass unsere verständliche Sehnsucht nach starker und benigner Herrschaft mit einem so fatalen Problem konfrontiert ist. Das gleiche Problem, das auch die Aristokratie zunichte macht. Und dauerhaft benigne Herrschaft und Führung so verflixt kompliziert macht.

Dass das schon lange bekannt ist, zeigt lustigerweise auch gerade unser deutsches Grundgesetz. Unter anderem sorgt dieses dafür, dass sich bei uns möglichst viele Instanzen recht kleinteilig gegenseitig kontrollieren. Das macht das System nicht perfekt. Und es macht das System ziemlich langsam. Aber es bietet die Chance, dramatische Entgleisungen einigermaßen stabil zu vermeiden. Immerhin ist das bei uns jetzt bereits einige Jahrzehnte lang geglückt. Und es ist sogar zwischendurch der eine oder andere Fortschritt zustandegekommen. Grund genug für Geduld. Und Grund genug, unser deprimierend träges und ineffizientes politisches System zwischendurch zu feiern!

Extreme und der Raum dazwischen

Um mit einem kleinen Paradoxon zu beginnen: Schwarz-Weiß-Denken ist immer falsch!

Hier ein paar willkürlich gewählte Beispiele zu aktuellen Themen:

  • Ist jeder Ausländer bedrohlich, oder ist alles gut, was aus dem Ausland kommt?
  • Soll Kindererziehung nur aus maximaler Liebe bestehen, oder ist allein Strenge gefragt?
  • Sind Therapeuten absolut zu meiden, oder sind sie immer hilfreich?
  • Hat die Schulmedizin immer alleine die „richtige“ Antwort? Oder die „Naturheilkunde“? Oder die Heilslehre xy?
  • Soll ich nur biologische Lebensmittel einkaufen, oder nur regionale, oder nur unverpackte, oder nur faire?
  • Muss jeder Mensch mit jeder möglichen Impfung versorgt werden oder ist Impfen grundsätzlich Teufelszeug?

Immer richtig!

So übersichtlich dargestellt fällt es wohl den meisten von uns leicht, die Extrempositionen zu verwerfen. Aber häufig kommen Extreme auch verlockend und sympathisch daher. Und häufig gibt es zu einer Fragestellungen viel mehr als nur zwei „extreme“ Positionen. Da ist es sehr verständlich, wenn Menschen sich „ganz einer Sache verschreiben“ – immerhin ist das viel leichter, als immer wieder aufs Neue mit den vielen Schattierungen des täglichen Lebens klarkommen zu müssen. In denen „richtig“ und „falsch“ so schwer auszumachen sind. Dabei ist solchen Extrempositionen, wohl fast allen Extremen bezüglich „immer“ und „nie“, gewiss in fast (um obiges Paradoxon etwas abzumildern) allen Lebensbereichen mit Skepsis zu begegnen.

Mittelweg

Bedeutet dies, dass der einzig richtige Weg der Mittelweg ist, ein Mittelding mit Mittelmaß? Immer möglichst weit weg von allen Extremen? Nein, natürlich nicht. Wäre der immer perfekte „Mittelweg“ einmal definitiv festgelegt, würde er schon damit selbst zu einer Extremposition. Jeder so propagierte „einzig richtige Weg“, und liege er auch in einer hypothetischen Mitte, führt ganz automatisch in die Extrem-Falle. Das liegt an der Starrheit einer solchen Definition, und dass sie nicht Folge der Lebensrealität ist, sondern diese bestimmen will. Auch ist natürlich klar, dass manchmal tatsächlich exotisch und unkonventionell anmutende Wege und Vorgehesweisen Vorteile bieten. Und dem verbreiteten Glauben an das „richtige Ideal“ sinnvolle Gegenmodelle entgegensetzen können.

Der eigene Weg

Was also wirklich erforderlich ist, sind Mut, Selbstbewusstsein und Übung in der Praxis, sich selbst in seinem Leben und seiner Umwelt jeden Tag aufs neue wieder einen guten Weiterweg zu suchen. Und nicht blind und taub dem einen oder anderen Heilsversprechen (siehe obige Extrem-Beispiele) hinterherzulaufen. Eine schwierige Übung, viel schwerer, als starre, festgelegte Meinungen zu verfolgen. Aber auch eine schöne und befreiende Übung. Gänzlich individuell (das mögen wir ja heute), gut für ein offenes und erfreuliches (Zusammen)-Leben, gut für die Zukunft!